Pierrot lunaire/Hartleben

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Pierrot lunaire Set by Arnold Franz Walter Schoenberg (1874-1951), op. 21 (1912) Texts by Otto Erich Hartleben (1864-1905), after Albert Giraud (1860-1929) Goto: English Translation (Pierrot lunaire)

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Pierrot lunaire


1. Mondestrunken

 Den Wein, den man mit Augen trinkt,
 Gießt Nachts der Mond in Wogen nieder,
 Und eine Springflut überschwemmt
 Den stillen Horizont.

 Gelüste schauerlich und süß,
 Durchschwimmen ohne Zahl die Fluten!
 Den Wein, den man mit Augen trinkt,
 Gießt Nachts der Mond in Wogen nieder.

 Der Dichter, den die Andacht treibt,
 Berauscht sich an dem heilgen Tranke,
 Gen Himmel wendet er verzückt
 Das Haupt und taumelnd saugt und schlürit er
 Den Wein, den man mit Augen trinkt.


[See translation(s) of the text.]

2. Columbine

 Des Mondlichts bleiche Bluten,
 Die weißen Wunderrosen,
 Blühn in den Julinachten -
 O brach ich eine nur!

 Mein banges Leid zu lindern,
 Such ich am dunklen Strome
 Des Mondlichts bleiche Blüten,
 Die weißen Wunderrosen.

 Gestillt war all mein Sehnen,
 Dürft ich so märchenheimlich,
 So selig leis - entblättern
 Auf deine brauenen Haare
 Des Mondlichts bleiche Blüten!


[See translation(s) of the text.]

3. Der Dandy

 Mit einem phantastischen Lichtstrahl
 Erleuchtet der Mond die krystallnen Flacons
 Auf dem schwarzen, hochheiligen Waschtisch
 Des schweigenden Dandys von Bergamo.

 In tönender, bronzener Schale
 Lacht hell die Fontaine, metallischen Klangs.
 Mit einem phantastischen Lichtstrahl
 Erleuchtet der Mond die krystallnen Flacons.

 Pierrot mit dem wächsernen Antlitz
 Steht sinnend und denkt: wie er heute sich schminkt?
 Fort schiebt er das Rot und das Orients Grün
 Und bemalt sein Gesicht in erhabenem Stil
 Mit einem phantastischen Mondstrahl.


[See translation(s) of the text.]

4. Eine blasse Wäscherin

 Eine blasse Wäscherin
 Wäscht zur Nachtzeit bleiche Tücher;
 Nackte, silberweiße Arme
 Streckt sie nieder in die Flut.

 Durch die Lichtung schleichen Winde,
 Leis bewegen sie den Strom.
 Eine blasse Wäscherin
 Wäscht zur Nachtzeit bleiche Tücher.

 Und die sanfte Magd des Himmels,
 Von den Zweigen zart umschmeichelt,
 Breitet auf die dunklen Wiesen
 ihre lichtgewobnen Linnen -
 Eine blasse Wäscherin.


[See translation(s) of the text.]

5. Valse de Chopin

 Wie ein blasser Tropfen Bluts
 Färbt die Lippen einer Kranken,
 Also ruht auf diesen Tönen
 Ein vernichtungssüchtger Reiz.

 Wilder Lust Accorde stören
 Der Verzweiflung eisgen Traum -
 Wie ein blasser Tropfen Bluts
 Färbt die Lippen einer Kranken.

 Heiß und jauchzend, süß und schmachtend,
 Melancholisch düstrer Walzer,
 Kommst mir nimmer aus den Sinnen!
 Haftest mir an den Gedanken,
 Wie ein blasser Tropfen Bluts!


[See translation(s) of the text.]

6. Madonna

 Steig, o Mutter aller Schmerzen,
 Auf den Altar meiner Verse!
 Blut aus deinen magren Brusten
 Hat des Schwertes Wut vergossen.

 Deine ewig frischen Wunden
 Gleichen Augen, rot und offen.
 Steig, o Mutter aller Schmerzen,
 Auf den Altar meiner Verse!

 In den abgezehrten Händen
 Hältst du deines Sohnes Leiche.
 Ihn zu zeigen aller Menschheit -
 Doch der Blick der Menschen meidet
 Dich, o Mutter aller Schmerzen!


[See translation(s) of the text.]

7. Der kranke Mond

 Du nächtig todeskranker Mond
 Dort auf des Himmels schwarzem Pfühl,
 Dein Blick, so fiebernd übergroß,
 Bannt mich wie fremde Melodie.

 An unstillbarem Liebesleid
 Stirbst du, an Sehnsucht, tief erstickt,
 Du nächtig todeskranker Mond
 Dort auf des Himmels schwarzem Pfühl.

 Den Liebsten, der im Sinnenrausch
 Gedankenlos zur Liebsten schleicht,
 Belustigt deiner Strahlen Spiel -
 Dein bleiches, qualgebornes Blut,
 Du nächtig todeskranker Mond.


[See translation(s) of the text.]

8. Nacht (Passacaglia)

 Finstre, schwarze Riesenfalter
 Töteten der Sonne Glanz.
 Ein geschlossnes Zauberbuch,
 Ruht der Horizont - verschwiegen.

 Aus dem Qualm verlorner Tiefen
 Steigt ein Duft, Erinnrung mordend!
 Finstre, schwarze Reisenfalter
 Töteten der Sonne Glanz.

 Und vom Himmel erdenwärts
 Senken sich mit schweren Schwingen
 Unsichtbar die Ungetume
 Auf die Menschenherzen nieder...
 Finstre, schwarze Riesenfalter.


[See translation(s) of the text.]

9. Gebet an Pierrot

 Pierrot! Mein Lachen
 Hab ich verlernt!
 Das Bild des Glanzes
 Zerfloß - Zerfloß!

 Schwarz weht die Flagge
 Mir nun vom Mast.
 Pierrot! Mein Lachen
 Hab ich verlernt!

 O gieb mir wieder,
 Roßarzt der Seele,
 Schneemann der Lyrik,
 Durchlaucht vom Monde,
 Pierrot - mein Lachen!


[See translation(s) of the text.]

10. Raub

 Rote, fürstliche Rubine,
 Blutge Tropfen alten Ruhmes,
 Schlummern in den Totenschreinen,
 Drunten in den Grabgewolben.

 Nachts, mit seinen Zechkumpanen,
 Steigt Pierrot hinab - zu rauben
 Rote, fürstliche Rubine,
 Blutge Tropfen alten Ruhmes.

 Doch da - strauben sich die Haare,
 Bleiche Furcht bannt sie am Platze:
 Durch die Finsternis - wie Augen! -
 Stieren aus den Totenschreinen
 Rote, fürstliche Rubine.


[See translation(s) of the text.]

11. Rote Messe

 Zu grausem Abendmahle,
 Beim Blendeglanz des Goldes,
 Beim Flackerschein der Kerzen,
 Naht dem Altar - Pierrot!

 Die Hand, die gottgeweihte,
 Zerreißt die Priesterkleider
 Zu grausem Abendmahle,
 Beim Blendeglanz des Goldes

 Mit segnender Geberde
 Zeigt er den bangen Seelen
 Die triefend rote Hostie:
 Sein Herz - in blutgen Fingern -
 Zu grausem Abendmahle!


[See translation(s) of the text.]

12. Galgenlied

 Die dürre Dirne
 Mit langem Halse
 Wird seine letzte
 Geliebte sein.

 In seinem Hirne
 Steckt wie ein Nagel
 Die dürre Dirne
 Mit langem Halse.

 Schlank wie die Pinie,
 Am Hals ein Zöpfchen -
 Wollüstig wird sie
 Den Schelm umhalsen,
 Die dürre Dirne!


[See translation(s) of the text.]

13. Enthauptung

 Der Mond, ein blankes Türkenschwert
 Auf einem schwarzen Seidenkissen,
 Gespenstisch groß - dräut er hinab
 Durch schmerzendunkle Nacht.

 Pierrot irrt ohne Rast umher
 Und starrt empor in Todesängsten
 Zum Mond, dem blanken Türkenschwert
 Auf einem schwarzen Seidenkissen.

 Es schlottern unter ihm die Knie,
 Ohnmächtig bricht er jäh zusammen.
 Er wähnt: es sause strafend schon
 Auf seinen Sünderhals hernieder
 Der Mond, das blanke Türkenschwert.


[See translation(s) of the text.]

14. Die Kreuze

 Heilge Kreuze sind die Verse,
 Dran die Dichter stumm verbluten,
 Blindgeschlagen von der Geier
 Flatterndem Gespensterschwarme!

 In den Leibern schwelgten Schwerter,
 Prunkend in des Blutes Scharlach!
 Heilge Kreuze sind die Verse,
 Dran die Dichter stumm verbluten.

 Tot das Haupt - erstarrt die Locken -
 Fern, verweht der Lärm des Pöbels.
 Langsam sinkt die Sonne nieder,
 Eine rote Königskrone. -
 Heilge Kreuze sind die Verse!


[See translation(s) of the text.]

15. Heimweh

 Lieblich klagend - ein krystallnes Seufzen
 Aus Italiens alter Pantomime,
 Klingts herüber: wie Pierrot so holzern,
 So modern sentimental geworden.

 Und es tönt durch seines Herzens Wüste,
 Tönt gedämpft durch alle Sinne wieder,
 Lieblich klagend - ein krystallnes Seufzen
 Aus Italiens alter Pantomime.

 Da vergißt Pierrot die Trauermienen!
 Durch den bleichen Feuerschein des Mondes,
 Durch des Lichtmeers Fluten - schweift die Sehnsucht
 Kühn hinauf, empor zum Heimathimmel
 Lieblich klagend - ein krystallnes Seufzen!


[See translation(s) of the text.]

16. Gemeinheit!

 In den blanken Kopf Cassanders,
 Dessen Schrein die Luft durchzetert,
 Bohrt Pierrot mit Heuchlermienen,
 Zärtlich - einen Schädelbohrer!

 Darauf stopft er mit dem Daumen
 Seinen echten türkischen Taback
 In den blanken Kopf Cassanders,
 Dessen Schrein die Luft durchzetert!

 Dann dreht er ein Rohr von Weichsel
 Hinten in die glatte Glatze
 Und behäbig schmaucht und pafft er
 Seinen echten türkischen Taback
 Aus dem blanken Kopf Cassanders!


[See translation(s) of the text.]

17. Parodie

 Stricknadeln, blank und blinkend,
 In ihrem grauen Haar,
 Sitzt die Duenna murmelnd,
 Im roten Röckchen da.

 Sie wartet in der Laube,
 Sie liebt Pierrot mit Schmerzen,
 Stricknadeln, blank und blinkend,
 In ihrem grauen Haar.

 Da plötzlich - horch! - ein Wispern!
 Ein Windhauch kichert leise:
 Der Mond, der böse Spötter,
 Äfft nach mit seinen Strahlen -
 Stricknadeln, blink und blank.


[See translation(s) of the text.]

18. Der Mondfleck

 Einen weißen Fleck des hellen Mondes
 Auf dem Rücken seines schwarzen Rockes,
 So spaziert Pierrot im lauen Abend,
 Aufzusuchen Glück und Abenteuer.

 Plötzlich stört ihn was an seinem Anzug,
 Er beschaut sich rings und findet richtig -
 Einen weißen Fleck des hellen Mondes
 Auf dem Rücken seines schwarzen Rockes.

 Warte! denkt er: das ist so ein Gipsleck!
 Wischt und wischt, doch - bringt ihn nicht herunter!
 Und so geht er, giftgeschwollen, weiter,
 Reibt und reibt bis an den frühen Morgen -
 Einen weißen Fleck des hellen Mondes.


[See translation(s) of the text.]

19. Serenade

 Mit groteskem Riesenbogen
 Kratzt Pierrot auf seiner Bratsche,
 Wie der Storch auf einem Beine,
 Knipst er trüb ein Pizzicato.

 Plötzlich naht Cassander - wütend
 Ob des nächtgen Virtuosen -
 Mit groteskem Riesenbogen
 Kratzt Pierrot auf seiner Bratsche.

 Von sich wirft er jetzt die Bratsche:
 Mit der delikaten Linken
 Faßt den Kahlkopf er am Kragen -
 Träumend spielt er auf der Glatze
 Mit groteskem Riesenbogen.


[See translation(s) of the text.]

20. Heimfahrt

 Der Mondstrahl ist das Ruder,
 Seerose dient als Boot;
 Drauf fährt Pierrot gen Süden
 Mit gutem Reisewind.

 Der Strom summt tiefe Skalen
 Und wiegt den leichten Kahn.
 Der Mondstrahl ist das Ruder,
 Seerose dient als Boot.

 Nach Bergamo, zur Heimat,
 Kehrt nun Pierrot zurück;
 Schwach dämmert schon im Osten
 Der grüne Horizont.
 - Der Mondstrahl ist das Ruder.


[See translation(s) of the text.]

21. O alter Duft

 O alter Duft aus Märchenzeit,
 Berauschest wieder meine Sinne;
 Ein närrisch Heer von Schelmerein
 Durchschwirrt die leichte Luft.

 Ein glückhaft Wünschen macht mich froh
 Nach Freuden, die ich lang verachtet:
 O alter Duft aus Märchenzeit,
 Berauschest wieder mich!

 All meinen Unmut gab ich preis;
 Aus meinem sonnumrahmten Fenster
 Beschau ich frei die liebe Welt
 Und träum hinaus in selge Weiten...
 O alter Duft - aus Märchenzeit!